1 Gedanke zu “Fachtagung Vollgeldinitiative”

  1. Der sehr lesenswerte Beitrag stellt kurz sehr vieles klar bezüglich der Funktionsweise des heutigen Geldsystems und der Vorteile eines Vollgeldes. Ein Vollgeldsystem stellt bestimmt ein wesentlicher Fortschritt dar bezüglich Geldversorgung der Gesellschaft. Das heutige Geldsystem wirkt aber einen viel stärkeren Wachstumszwang aus, als aus dem Beitrag hervorgeht. Nun fragt sich, wie weit die These des zinsbedingten Wachstumszwangs wirklich zutrifft. Geldmengenausweitung alleine erzwingt noch kein Wachstum, ermöglicht es aber. Soweit Wachstum ausbleibt, folgt Inflation. Der letzte Satz ist der springende Punkt. Wenn Wachstum ausbleibt, folgt eher nicht Inflation, sondern viel wahrscheinlicher eine Deflation. Wenn auf fehlendem Wachstum Inflation folgen würde, dann wäre tatsächlich der Geldsystem bedingte Wachstumszwang von mässiger Bedeutung. Wenn aber fehlendes Wachstum eine Deflation auslöst, hat dies schwerwiegende sozioökonomische Folgen. Dergestalt, dass dieser Zustand der Deflation gefürchtet und unbedingt gemieden wird. Dies bedeutet aber, dass an einem Wachstum zwanghaft festgehalten werden muss. Das Problem ist weniger die Inflation, sondern dass zwischen Wachstum und deflationärer Schrumpfung ein Mittelweg kaum möglich ist. Dieser fehlende Mittelweg hat seine Ursache im Zinssystem, bzw. in einer Zinsskala, welche bei null beginnt. Bei ungenügendem Wachstum sinkt der Anreiz, Geld zu investieren und die Möglichkeiten von Unternehmen sinken, sich zu den geforderten Zinssätzen zu verschulden. Letztlich nimmt das Halten von Liquidität, das Geldhorten, an Attraktivität zu, was eine deflationäre Abwärtsspirale auszulösen vermag. Die Mittel, welche heute zur Verhinderung einer Deflation eingesetzt werden, führen allesamt zu schwerwiegenden Verwerfungen, wenn die Wirtschaft nicht genügend rasch anspringt. Sowohl Geldmengenausweitung als auch Staatausgaben auf Pump lassen sich nicht ohne schwere Folgen unbegrenzt weiterführen. Es muss auf möglichst baldiges Wachstum gehofft werden. Nur Wachstum vermag die Gesellschaft vor dieser misslichen Lage zu befreien. Zu erwähnen ist noch ein weiterer Aspekt der Zinsproblematik, welcher Punkt 4. im obigen Beitrag betrifft: laufende Arbeitseinkommen und vorhandene Vermögen umverteilen von den Schuldnern zu den Gläubigern. Bei ungleicher Vermögensverteilung sammelt sich rasch immer mehr Kaufkraft bei den Vermögenden, während sie bei den Erwerbstätigen abnimmt. Diese müssen immer mehr Güter produzieren, welche sie mit ihrer Kaufkraft nicht kaufen können, da damit die Kapitalerträge finanziert werden müssen. Aber bei den Empfängern der Kapitalerträge nimmt das Anlagebedürfnis viel stärker zu als das Konsumbeddürfnis. Wer kauft nun aber die Güter, welche die Erwerbstätigen immer mehr produzieren müssen, ohne sie kaufen zu können? Wenn der Markt nicht geräumt wird, folgt eine deflationäre Abwärtsspiral. Um dies zu verhindern bestehen drei Möglichiekten: der private Konsum auf Pump, der Staat hilft auf Pump den Markt zu räumen oder die Unternehmen investieren immer mehr (= Punkt 1 im obigen Beitrag). Letzteres bedeutet, die Unternehmen geben in der Investitionsphase mehr aus, als sie einnehmen, um später mehr einzunehmen. Dafür müssen sich aber Unternehmen wieder mehr verschulden usw. Ein Kettenbriefsystem, wie im Beitrag erwähnt. Langfristig, ohne Staatsverschuldung und inflationäre Geldmengenausweitung, kann das heutige Geldsystem aber nur so funktionieren, indem Unternehmen sich immer mehr verschulden und immer mehr produzieren, um immer höhere Kapitalerträge abliefern zu können. Es ist an der Zeit, dass dieser Wahnsinn in aller Deutlichkeit erkannt wird. Punkt 2 bis 3 zur Finanzierung der Zinsen ermöglichen nur, Zeit zu gewinnen. Nur Punkt 1 kann, gebe es keine Wachstumsgrenzen (!), wirklich langfristig funktionieren. Aus obigen Ausführungen geht hervor, dass die Zinsproblematik viel dramatischere Auswirkungen hat als im obigen Beitrag dargestellt, insbesondere da die Problematik der Deflation nicht in Betracht gezogen wird. Und hier sehe ich auch das grösste Defizit einer Vollgeldreform, dass sie kein optimales Instrument liefert, um eine Deflation zu verhindern oder zu bekämpfen. In idealer Weise liesse sich in einem Vollgeldsystem eine Umlaufsicherung einführen. Eine Umlaufsicherung ist das überzeugendste geldpolitische Mittel gegen eine Deflation. Die Einführung einer Umlaufsicherung muss allerdings nicht zu Beginn einer Vollgeldreform erfolgen. Zuerst können mit dem Vollgeld Erfahrungen gesammelt werden, kann sich das System einspielen. Es wird aber zwangsläufig der Punkt kommen, an dem die Monetative vor der Wahl gestellt sein wird, entweder die Geldmenge zu erhöhen und zwar über dem Mass, welches das Wirtschaftswachstum erlauben würde oder eine Deflation in Kauf zu nehmen. Die Monetative wird nicht umhin kommen, das Schneeballsystem mit immer mehr frischem Geld zu alimentieren, soll keine Deflation stattfinden. Es ist aber anzunehmen, dass eine Monetative dieses Dilemma viel früher erkennen und viel eher zur Erkenntnis gelangen wird, dass eine Geldumlaufsicherung ein notwendiges Instrument der Geldpolitik sein muss, um ein Geldsystem zu haben, welches ohne Wachstumszwang, ohne Inflationierung und ohne Deflation auskommt. Eine weitere Möglichkeit ist allerdings, dass die Monetative sich weigert, die Geldmenge über die Wachstumsrate wachsen zu lassen und eine Deflation stattfinden lässt. Dies, als selbstbereinigenden Prozess. Nur müsste die Monetative dann konsequenter Weise die Geldmenge auch reduzieren, so wie die Wirtschaft schrumpft. Dies würde sie aber politisch nicht überleben. Sie wird deshalb von ihrem Ziel wegkommen, die Geldmenge stets im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gleich zu halten – sofern sie keine Umlaufsicherung einführt. Damit lässt sich die Geldmenge ohne Inflations- und Deflationsgefahr knapp halten und unnötige Krisen bzw. Korrekturen, weil Zinssystem bedingt, werden ausbleiben. Es würde hier zu weit führen, darauf einzugehen, was eine Umlaufsicherung bedeutet. Nämlich, dass dadurch letztlich die Ersparnisbildung begrenzt wird, wobei gilt (bei einem Nullwachstum): Höhe der Ersatzinvestition = Summe der möglichen und verlustfreien Ersparnisse. Es wird also keine illusionäre Ersparnisbildung mehr möglich sein. Würde mehr gespart, als Unternehmen an Krediten aufnehmen können, würden auf Ersparnisse im Schnitt negative Kapitalerträge resultieren. Die Konsequenzen einer Umlaufsicherung und strikter Geldmengenkontrolle einmal durchzurechnen, ist ein spannendes Unterfangen und zeigt modellhaft eine Ökonomie, welche heute Selbstverständliches – dass z.B. Sparen immer gut und grenzenlos möglich sei, auf den Kopf gestellt. Es ist, wie wenn man in einem Schneeballsystem drin steckt und realisiert, dass die versprochenen Gewinne reine Fiktion sind und letztlich nur die eigene Arbeit wertschöpfend ist. Aber damit liesse sich für eine überwiegende Mehrheit, welche nichts als die negativen Folgen hat vom heutigen Geld- und Zinssystem, besser leben als heute.

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